Biographie Johannes Ronge - Freireligiöse Landesgemeinde Pfalz

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Biographie Johannes Ronge
Ronge, Johannes, Prediger, Schriftsteller, 
* 16.10.1813 Bischofswalde (Schlesien), 26.10.1887 Wien (deutschkatholisch-freireligiös)
 
Eltern: Michael Ronge (Bauer) und Hedwig, geb. Zimmer.
Erste Heirat mit Bertha Traun, geb. Meyer  (1819-1863) am 31.10.1850, eine Tochter Marie. Ihre Schwester Margarethe war verheiratet mit Carl Schurz.
Zweite Heirat 1870 mit Erwine Kremer (1841-1921), Sohn Dr. Hans Ronge.
 
Aufgewachsen in einfachen Verhältnissen besuchte Johannes R. als einziger von neun Geschwistern das Gymnasium in Neisse. Er studierte katholische Theologie in Breslau und wurde 1840 zum Priester geweiht. Als Kaplan ging er nach Grottkau, wurde 1843 nach einem kirchenkritischen Artikel in den “Sächsischen Vaterlandsblättern”, hrsg. von Robert Blum,  vom Dienst suspendiert und fand als Privatlehrer eine Anstellung in Laurahütte.  Am 16. Oktober 1844 veröffentlichte er in der o.a. Zeitschrift  ein “Offenes Sendschreiben an den Bischof Arnoldi in Trier”. Darin griff er die Ausstellung des sog. Heiligen Rocks in Trier aufs heftigste an und bezeichnete diese darin als Ausbeutung der sozialen Notlage der Bevölkerung und Beleidigung der Vernunft.
 
Dieser Brief wurde zum Anlass einer landesweiten Religionsbewegung des Deutschkatholizismus ab 1845. Ronge unterstützte die Gründung dieser Gemeinden, wie auch von Frauenvereinen und Arbeiterbildungsvereinen durch zahlreiche Rundreisen, und wurde selbst zum ersten Prediger der Gemeinde in Breslau berufen. Die Gemeinden mit ihrem Anspruch auf religiöse Selbstbestimmung und rationalem Religionsverständnis bildeten Sammelbecken demokratischer Kräfte. 1848 wurde Ronge ins Frankfurter Vorparlament gewählt, wo er eine radikale demokratische Auffassung vertrat. 1849 musste er wegen seiner Kritik am preußischen König nach London emigrieren. Dort gründete er die Humane Religionsgemeinde und verbreitete mit seiner Frau die Idee Fröbelscher Kindergärten, wofür er auch nach seiner Rückkehr 1861 nach Deutschland arbeitete. Mit eigenen Zeitschriften setzte er sich weiter für eine religiöse Reform mit dem Ziel einer liberalen Nationalkirche ein,  förderte die Verbreitung von Kindergärten, Frauenvereinen, Arbeiterbildungsvereinen und freien Schulen. Er bemühte sich, die liberalen jüdischen Gemeinden für eine allgemeine freie Religion zu begeistern und trat energisch gegen den sich ausbreitenden Antisemitismus in den 70er und 80er Jahren auf.
 
Ronge war weniger ein systematischer Theologe noch gar ein Religionsstifter im traditionellen Sinne. Für ihn war die demokratische Revolution in Deutschland eine religiöse Verpflichtung. Ronge betonte ethisches Handeln als grundlegende Verpflichtung des einzelnen und wandte sich vom christlichen Erlösungs- und Gnadengedanken ab. Er sah den Menschen als selbstverantwortlich und frei gerade auch im religiösen Bereich an. Jeder sollte Religion unter Einbeziehung von Vernunft und wissenschaftlichen Erkenntnissen weiterentwickeln. Soziale Reformen und Sozialarbeit sollten die einzelnen Menschen in ihren Fähigkeiten bestärken und ihnen Mittel zur eigenverantwortlichen Lebensgestaltung an die Hand geben. Mit seinem Einsatz für diese Ideen wirkte er über den Kreis der freireligiösen Gmeeinden hinaus auf Frauen-, Arbeiter-  und Bildungsbewegung ein.
 
Werke:
The Reformation of the 19th Century, London 1852; mit Bertha Ronge: Practical Guide to the English Kindergarten (children´s garden), for the use of mothers, nurses and infant teachers, being an exposition of Froebel´s system of infant training, London 1855; Die nationale Bewegung und die religiöse Reform, Frankfurt/M. 1862; Vierzehn Briefe von Robert Blum an Johannes Ronge. Frankfurt/M. 1866; Dr. Fröbels Kindergartensystem als Grundlage einer zeitgemäßen Nationalerziehung. Selbstverl. 1873; Religionsbuch (Katechismus) für den Unterricht der Jugend in Familie und Schule in den freireligösen, deutschkatholischen und freiprotestantischen Gemeinden. 1. Teil, 2. Verb. Aufl. Darmstadt 1882;
 
Flugschriften (Auswahl): Offenes Sendschreiben an den Bischof Arnoldi zu Trier. Erstmals in “Sächsische Vaterlandsblätter”, 16.10.1844; An die katholischen Lehrer. Altenburg 1845; An die niedere katholische Geistlichkeit. Leipzig 1845; Rechtfertigung. Leipzig 1845 (1. - 4. Aufl.); An meine Glaubensgenossen und Mitbürger. Altenburg 1845; Die römische und die deutsche Schule. Dessau 1845; Ein Zuruf an die Nichtbevorrechteten. Breslau 1845; Katholische Dichtungen. Dessau 1845; Das Wesen der freien christlichen Kirche. Hamburg 1847; Aufruf an die deutschen Männer und Frauen, nebst Grundbestimmungen der freien Kirche. Hamburg 1850; Die deutsche Schule und das unfehlbare Papsttum. Darmstadt o.J.; Das sittliche Gesetz der Ehe und die Berechtigung des Staates bei Eheschließungen (obilgatorische Civilehe). Darmstadt o.J.; Offenes Sendschreiben an den Bischof von Mainz W. E. von Ketteler. Darmstadt 1857.
 
Zeitschriften: Neue religiöse Reform. Organ des deutschen Reform-Vereins zur Förderung freier protestantischer Gemeinden resp. der freien deutschen Nationalkirche, Kindergärten, Schulen, Fortbildungsschulen. Ab 1864 (erster Titel: freie religiöse Blätter für Deutschland);  Freie deutsche Nationalkirche. Mannheim, ab 1867.
Stadtarchiv Mann: Nachlass Ronge 1966
 
Literaturverz.:
Bonneß, Wilhelm: Johannes Ronge. Aufbruch der freireligiösen Idee aus dem Katholizismus. In: Die freireligiöse Bewegung. Wesen und Auftrag. 1859-1959. Hrsg. Bund Freireligiöser Gemeinden Deutschlands. Mainz 1959;  Graf, Friedrich Wilhelm: Die Politisierung des religiösen Bewußtseins. Die bürgerlichen Religionsparteien im deutschen Vormärz: Das Beispiel des Deutschkatholizismus. Stuttgart-Bad Cannstatt 1978;  Groschopp, Horst: Dissidenten. Freidenkerei und Kultur in Deutschland. Berlin 1997; Holzem, Andreas: Kirchenreform und Sektenstiftung. Deutschkatholiken, Reformkatholiken und Ultramontane am Oberrhein 1844-1866. Paderborn 1994; Kuhn, Annette: Theorie und Praxis historischer Friedensforschung. Stuttgart-München 1971; Paletschek, Sylvia: Frauen und Dissens. Frauen im Deutschkatholizismus und in den freien Gemeinden 1841-1852. Göttingen 1990; Pich, Sabine: Johannes Ronge und sein Nachlaß. In: “Das Paradoxe zog mich an”. Festschrift für Eckhart Pilick. Hrsg.: Freireligöse Landesgemeinde Baden. Mannheim 1997, S. 54-76.
Pilick, Eckhart (Hg.): Lexikon freireligiöser Personen. Rohrbach/Pfalz 1997. 
Stadtarchiv Mannheim: Nachlass Ronge. 1996
 
Renate Bauer
 
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